Wie entsteht sowas?
Einen Schelmenroman schreiben ohne fundierte theoretische Ahnung von pikarischer Literatur ist ein gewagtes Unternehmen. Das ahnte ich schon vor zwanzig Jahren, als mir die ersten Ideen zu diesem Buch kamen. Nur, ich hatte ein spannendes Leben bis dahin abgespult. Ich hatte Geschichten in meiner Erinnerung festgehalten, wo ich kaum noch spannende Fiktion dazu spinnen musste. Im Gegenteil - ich konnte viel reales unbeschrieben verschwinden lassen.Irgendwann hatte ich erste Szenen zu dem Buch GRENZSOLDAT geschrieben,
das in html-Dokumente gepackt, habe mich hingesetzt und dann
einfach nur gewartet was passiert. Ich kannte die
Gesetzmäßigkeiten dieser html - Internetseiten. Wenn das,
was ich geschrieben habe, jemand interressiert, wird es
zwangsläufig auch gefunden.
Es
wurde gefunden. In aller Welt. Zuerst meldeten sich Schüler, die
meine Themen für ein Referat , für einen Aufsatz über
Deutsche Geschichte benötigten. Dann drehte der Text weitere
Kreise. Nachrichtenagenturen meldeten sich. TV Sender und Radiosender.
Ich konnte Interviews geben, erlebte dass meine Texte in Holland in
Colleges benutzt wurden. Selbst aus Brasilien kam eine Studentin nach
Berlin geflogen, um für ihre Abschlußarbeit meine Storys zu
nutzen. Aus aller Welt riefen mich manchmal Bekannte an mit so
Kommentaren wie "Du bist gerade im chinesischem Fernsehen!"
Wenn
ich nachgefragt hatte, warum sind meine Texte interessant, kam die
Antwort "Das ist unverkrampft, das ist locker geschrieben, es ist
freundlich!" Irgend wann fand mich auch ein freundlicher Verlag, der
Hande Verlag und innerhalb von 6 Tagen war der Verlagsvertrag für
ein Buch aus diesem Zyklus unterschrieben.
Irgendwann kam ich auf das Thema Schelmenroman, weil mein Erlebnisbericht "GRENZSOLDAT" eigentlich schon eine Schelmengeschichte war. Der Plot: Ein Jugendlicher, der wegen versuchtem bewaffneten Grenzdurchbruch vor dem Kadi landet, schrubbt bei dieser Einheit, die ihn eingefangen hatte seinen Wehrpflichzeit an der Berliner Mauer ab. Ich hatte aber damals noch nicht den Mut daraus eine literarische Schelmengeschichte zu machen.
So, oder ähnlich könnte ich mir das Titelbild meines Buches vorstellen. Ein Typ, der fragend in die Zukunft blickt und dabei denkt:
"Ich habe Salz auf meiner Zunge, Geschmack nach dem Salz des Lebens, nach dem Geschmack nach Abenteuer, der Suche nach dem Glück, Freude und Schmerz. Nach auf und ab, nach immerwährender Abwechsung nach nimmerwährender Ruhe. Nach Zufriedenheit und Unzufriedenheit. Nach Kontrasten. Nach Arbeit, nach Faulenzen. Nach Gleichmaß. Nach Kunst, Kultur, Unkultur, nach Streß. Nach Suche und Finden der Liebe. Nach dem Verlieren der Liebe. Das alles im Leben völlig erschöpfend abzuspulen. Ruhe zu finden und in der Ruhe fast zu ersaufen. Aufzutauchen und völlig neu Luft zu schnappen nach dem Leben."
Richard Hebstreit
14.08. 2015